"Ausländer haben bei uns nichts zu suchen"

Rassistische Parolen und Einstellungen in Unterricht und Gesellschaft
Ein Religionslehrer an einer Toggenburger Dorfschule zeigt einer Klasse von Schülerinnen und Schülern der ersten Realstufe Bilder von afrikanischen Sklaven. Einer der Schüler ruft: "Hören Sie doch auf mit dem Seich. Neger haben bei uns nichts zu suchen! Raus mit diesen Cheiben!". Mitschülerinnen und -schüler applaudieren, bis fast die ganze Klasse im Chor schreit "SVP! Schwarze raus! SVP! Schwarze raus!".

Der Religionslehrer ist hilflos. Vom Klassenlehrer ist keine Hilfe zu erwarten, weil dieser sich nach dem Unterricht kaum Zeit für ein kurzes Gespräch mit den Mitlehrern nimmt, sondern jeweils möglichst schnell nach Hause geht. Da der Religionslehrer die anderen Mitglieder des Lehrerinnen- und Lehrerkollegiums kaum kennt, ist auch von dieser Seite nicht mit viel Unterstützung zu rechnen. Der Lehrer zieht schliesslich einen schwarzen Priesterkollegen bei und stellt diesen seiner Klasse vor. Es fallen Sprüche wie "Alle Neger sind kriminell", der Unterricht endet tumultartig. Der Versuch, den SVP-Nationalrat Toni Brunner einzuladen, scheitert an dessen Desinteresse. Schliesslich gibt der Lehrer auf. Er thematisiert das Problem nicht mehr und unterrichtet heute nicht mehr an dieser Schule.

Das genannte Schulhaus ist nur eines von vielen. Der Pfarrer einer anderen Gemeinde im Toggenburg will eine Klassenreise ins ehemalige Konzentrationslager Dachau unternehmen und stösst dabei auf massiven Wiederstand der Eltern. Diese argumentieren, KZs hätten nichts mit der Schweiz zu tun und seien deshalb für ihre Kinder nicht interessant. Ein Schüler meint gar, Konzentrationslager würden "auch bei uns viele Probleme lösen". Die Klassenfahrt wird abgesagt.

In Pfäffikon SZ führt ein Lehrer an seiner Schule eine Umfrage zum Thema Rechtsextremismus durch. 8% der Schülerinnen und Schüler sagen aus, dass sie Hakenkreuze gut finden. 57% sehen darin eine legitime Meinungsäusserung. 12% der Schülerschaft stufen sich zudem politisch als rechts aussen ein. Als die Resultate der Befragung an die Öffentlichkeit gelangen, sinkt die anfängliche Unterstützung für die Befragung in der Gemeinde rapide. Die Frustration des betroffenen Lehrers ist gross.

Die aufgezeigten Beispiele sind keine Einzelfälle. Erste Resultate einer qualitativen Untersuchung des Schweizerischen Nationalfonds durch Sandro Cattacin, Brigitta Gerber, Massimo Sardi und Robert Wegener (2006) zeigen auf, dass Rassismus schweizweit in einem bedeutenderen Ausmass vorhanden ist, als dies gemeinhin angenommen wird. In gut 3000 mündlichen Interviews wurden Daten über rechtsextremes Gedankengut und über Einstellungen zu Minderheiten erhoben. Die Auswahl der Befragten ist repräsentativ, das heisst, es wurden – entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung – auch Migrantinnen und Migranten befragt. 37 Prozent konnten einer Gruppe, die gegen jede Art von gruppenfokussierter Menschenfeindlichkeit ist, zugeordnet werden. Wer dieser Gruppe angehört, steht parteipolitisch eher links, lebt eher in städtischer Umgebung, ist gut ausgebildet und im Durchschnitt jünger. In der mit 23 Prozent zweitgrössten Gruppe dominieren hingegen klar fremdenfeindliche Einstellungen. Die Angehörigen dieser Gruppe stehen politisch eher rechts, sind meist weniger gut gebildet und betrachten die Zukunft der Schweiz mit Sorge. 16 Prozent haben zwar auch Angst vor Fremden, sie akzeptieren jedoch Verschiedenheit und sind nicht als fremdenfeindlich zu bezeichnen. Sie sprechen sich für Recht und Ordnung aus und stehen politisch moderat rechts. Bei einer weiteren Gruppe von 9 Prozent dominieren fremdenfeindliche Einstellungen. Die Angehörigen dieser Gruppe lassen sich allerdings politisch nicht festlegen. Sie haben aber Angst vor der Zukunft und sehen Gewalt als ein Mittel zur Lösung von Problemen.

Insgesamt kann nach den Ergebnissen der genannten Studie mehr als die Hälfte der Befragten als fremdenfeindlich bezeichnet werden. Fast ein Viertel der Befragten sind antisemitisch eingestellt, was der Genfer Soziologe Sandro Cattacin als Spätfolge der Raubgold-Debatte interpretiert. Beunruhigend finden die Autoren, dass gut 3,8 Prozent der Bevölkerung dem rechtsextremen Umfeld zugeordnet werden können.