
Antirassismustraining
Antirassismus-Trainings (AT) sind eine Unterkategorie der antirassistischen Erziehung und werden heute von verschiedenen Organisationen angeboten. Sie kombinieren meist die verschiedenen Lernebenen Kognition, Emotion und Affekt. Je nach Lernziel steht die eine oder andere Lernanlage im Vordergrund. Die Trainings werden eintägig oder wochenendweise angeboten. Sie bearbeiten meist ein bestimmtes Thema wie Rassismus, Rechtsextremismus, Zivilcourage und Vorurteile. Besonders beliebt ist die "peer-education", das heisst das Ausbilden von gleichaltrigen Trainerinnen und Trainern. Interessant scheinen zur Kategorisierung des Angebots die Eckpunkte von Ulrike Kloeters (2003:369), die eine gute Beurteilungshilfe abgeben.Kloeters ordnet die antirassistischen Trainings der politischen Bildung zu. Zentral ist in ihren Augen, dass es sich hierbei um ein "Angebot an mündige Individuen" handelt, die freiwillig an Kursen und Workshops teilnehmen möchten. Dabei kommt der Vermittlungsmethode und -organisation eine zentrale Funktion zu. Das Lernklima soll zudem von der Haltung bestimmt sein, dass sich "Gleich und Gleich" begegnen. Weiter gilt das Prinzip, dass die Trainings den Rahmen für ein selbstreflektiertes Lernen bilden sowie die Emanzipation der/des Einzelnen langfristig fördern (Kloeters 2003, nach Hafeneger).
Unter den antirassistischen Trainings sind seit den 90er-Jahren vor allem die "Blue Eyed"- (www.eyetoeye.org) und NCBI-Trainings (National Coalition Building Institute, www.ncbi.ch) international bekannt. Das Konzept "Blue Eyed", in Deutschland auch "Eye to Eye" genannt, stammt von der US-Amerikanerin Jane Elliot, das des NCBI von der ebenfalls aus den USA stammenden Cheryl Brown. Die beiden Konzepte gehören zu den am weitesten verbreiteten Antirassismus-Trainings und erreichten bis heute viele Menschen. Das "Blue Eyed-Training" zeigt vor allem helläugigen und weissen Teilnehmenden einer Gruppe, welche psychischen Effekte eine systematische Stigmatisierung hat, indem sie Ausgrenzung und Diskriminierung durch die anderen Teilnehmenden am eigenen Leib erleben. Im Zentrum des NCBI-Trainings steht vor allem die Selbstverpflichtung der Teilnehmenden, sich künftig gegen rassistische Diskriminierung zu engagieren. Vor der Abgabe dieser Bekenntnisse erzählen die Teilnehmenden vor ihrer Gruppe von ihren eigenen Diskriminierungserfahrungen und Ängsten und begründen, warum das Erlebte nie wieder geschehen darf.
Beide Konzepte werden allerdings unter den oben genannten Prämissen von Kloeters auch kritisch beurteilt. Ein Kritikpunkt lautet, dass die Position der Trainerin / des Trainers jeweils sehr dominant sei, die Teilnehmenden eine eher passive Rolle einnähmen. Zwar werde in "Blue Eyed" immer wieder einmal auf die Metaebene gewechselt, bei NCBI stünden die Teilnehmenden in einer Selbstverpflichtung. Bei beiden Konzepten sei das ihnen zugrunde liegende Rassismuskonzept jedoch nicht sehr differenziert und von einer stark vereinfachten Opfer-Täter-Perspektive geprägt. Die Methode sei recht autoritär, da das Vorgehen nicht gemeinsam erarbeitet werde, und es bestehe wenig Platz für eigene Reflexionen, die Thematisierung von eigenen Gefühlen oder Ausgrenzungserfahrungen. Kritische Haltungen gegenüber den Methoden seien in beiden Trainingskonzepten nicht erwünscht, lautet ein weiterer Vorwurf (Kloeters 2003).
Laut einer schweizerischen Untersuchung von Mathias Drilling, Monique Eckmann und Miryam Eser Davolio* sind die NCBI-Angebote für kurzfristige Interventionen durchaus geeignet. Zur mittel- und längerfristigen Bearbeitung des Themas empfiehlt es sich jedoch eher, dialogische Trainingsformen zu nutzen, wie sie beispielsweise von TikK, Info-Klick oder ggg-Fon angeboten werden. Gute Informationen zu weiteren Anbietern bietet die Fachstelle für Rassismusbekämpfung. Tiefer greifende pädagogische Konzepte finden sich online auch bei Wunibald Heigl (www.anti-rassismus-training.de) oder ARIC-NRW (www.aric-nrw.de). Gemeinsam ist diesen antirassistischen Trainings, dass sie verändertes bzw. erweitertes Handeln in den Mittelpunkt stellen und von sogenannten multiperspektivischen Erklärungsmodellen ausgehen. Kognitive Elemente, mit deren Hilfe Sachinformationen vermittelt werden, sind mit Rollenspielen verknüpft, welche für den emotionalen Zugang zum Thema sorgen.
Für die inhaltliche Beurteilung eines Trainingsanbieters empfehlen sich die Tipps von Lang und Leiprecht (2000:24). Grundvoraussetzung für die professionelle antirassistische Trainingsarbeit ist:
- "Eine kontinuierliche Selbstreflexion der Trainer oder Trainerinnen. Hierbei sollten sowohl die eigene (ungewollte) Verstrickung in institutionelle Ausgrenzungen, die eigenen Behinderungen und Möglichkeiten, als auch die professionelle wie staatsbürgerliche Mitverantwortung ein Thema sein.
- Antirassistisches Training sollte auf einen dialogischen Lernstil aufbauen. Hierbei sollte eine untersuchende, reflexive Haltung gefördert werden. Belehrende und besserwisserische Herangehensweisen sollten vermieden werden.
- Subjektive Begründungen und Möglichkeitsräume der Teilnehmenden sollten zur Kenntnis genommen und berücksichtigt werden, ohne die strukturellen und diskursiven Ebenen von Rassismus zu vernachlässigen. Die Auseinandersetzung mit rassistischen Denkangeboten und Handlungsweisen sollten im Vordergrund stehen.
- Moralisierende Appelle und Mitleid gegenüber denjenigen, die zu Zielscheiben von Rassismus werden, sollten tunlichst vermieden werden. Sie degradieren die einen zu Opfern und die andern zu Tätern. "Mitleid im Sinne von Sich-betroffen-Fühlen gilt Objekten, auf Analyse und Intervention basierende Solidarisierung gilt Subjekten." Eine solche Solidarisierung kann mithilfe der Entwicklung angemessener Strategien zu Konfliktlösung erreicht werden; hierbei sollten kollektive Lösungsansätze, die auch institutionelle wie strukturelle Mechanismen angreifen, im Mittelpunkt stehen.
- Hilfreich sind die Analyse von Effekten und strukturellen Bedingungen sowie Diskussionen rassistischer Denk- und Handlungsweisen, um herauszuarbeiten, dass diese Denk- und Handlungsweisen Folgen haben, deren sich die Einzelnen (möglicherweise) nicht bewusst sind."
* Siehe auch Mattias Drilling, Miryam Eser Davolio: Rechtsextremismus und Soziale Arbeit – Evaluation von Interventionsansätzen und Entwicklung von Guidelines. Departement Soziale Arbeit des Basler Instituts für Sozialforschung und Sozialplanung. Auf: NFP40+