Rechtsextremismus

Rechtsextremismus, Neofaschismus, Neonazismus und Rechtsradikalismus sind Begriffe, die sowohl in der sozialwissenschaftlichen Terminologie wie auch in der politischen Alltagssprache häufig synonym verwendet werden. Die Begriffe Neofaschismus und Neonazismus zielen auf nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene politische Bewegungen, die eine mehr oder weniger grosse Nähe zu den europäischen Faschismen der Zwischenkriegszeit und/oder zum Nationalsozialismus aufweisen.

Im deutschen Sprachgebrauch scheint sich trotz seiner Unschärfe der Begriff "Rechtsextremismus" durchgesetzt zu haben. In Deutschland wurde er ursprünglich von den Verfassungsschutzbehörden aufgebracht, welche den Terminus als rechte Variante eines "politischen Extremismus" definierten. Dabei werden unter politischem Extremismus Gesinnungen und Bestrebungen zusammengefasst, die sich in kämpferischer Form gegen grundlegende Werte, Regeln und Institutionen des demokratischen Verfassungsstaats richten (Backes/Jesse 1996). Die Schwäche dieser Definition besteht in ihrer starken Anbindung an das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland und dessen Verständnis extremistischen Handelns, die es teilweise schwer machen, das Phänomen international zu vergleichen. Allerdings sind alternative Begriffe wie Neofaschismus oder Neonazismus stark historisch besetzt. Der Begriff Rechtsextremismus erlaubt dagegen, das Feld einzugrenzen und auf eine zwar unscharfe, doch immerhin verallgemeinerbare Terminologie zu verweisen.

Bei der Eingrenzung des Begriffs "Rechtsextremismus" geht es nicht nur um die mit ihm verbundenen politischen Ideen, sondern auch um bestimmte Merkmale der individuellen Persönlichkeit (Einstellung zu Gewalt, Gruppenverhalten). Zwar gibt es Untersuchungen über linke oder alternative Meinungs- und Protestpotenziale, doch nur den Rechtsextremen ist ein "autoritärer Charakter" eigen, wie ihn Theodor W. Adorno (1950) beschreibt. Hans-Gerd Jaschke (2001) charakterisiert in diesem Zusammenhang rechtsextremistische Personen, Gruppen, Parteien und Organisationen als "in der Tradition des Faschismus bzw. Nationalsozialismus [stehend; Anm. Verf.] und eine hierarchische, ethnozentrische Gesellschaftsordnung [vertretend; Anm. Verf.], gestützt auf einen nationalistischen starken Staat" als politisches Leitbild. Zudem radikalisieren rechtsextreme Personen oder Gruppen nach Jaschke "konservative Sekundärtugenden und Werte wie Familie, Pflicht, Ordnung, Sauberkeit". Diese lösen sie von ihrer Bindung an rechtsstaatlich-parlamentarische Politikprozesse und binden sie in obrigkeitsstaatlich-vordemokratische, autoritäre Ordnungskonzepte ein. Das prekäre Verhältnis zur liberalen Demokratie zeigt sich darüber hinaus in der tendenziellen Ablehnung der Menschenrechte zugunsten einer organischen, sozialdarwinistischen Sicht von Gesellschaft (Jaschke 1987:488). Sozialdarwinismus ist eine überholte Ideologie, die auf der Evolutionstheorie Charles Darwins beruht und die Gesetze der Evolution auf soziale und wirtschaftliche Zusammenhänge überträgt. Im engeren Sinne meinen Vertreterinnen und Vertreter rechtsextremistischer Sichtweisen, dass wirtschaftlicher Erfolg einer bestimmten Abstammungsgruppe angeboren sei.

Auf der Ebene der Verhaltenseinstellungen spielen im Rechtsextremismus rigide Denkstrukturen, Ethnozentrismus, politisches Führertum, ausgeprägte Law-and-Order-Mentalitäten, die Betonung "männlicher" Persönlichkeitsmerkmale wie Kraft, Härte, Ausdauer, Durchsetzungsvermögen und Kameradschaft bis hin zu militanten Formen politischer Beteiligung eine Rolle, aber auch die provokative Verwendung von faschistischen Symbolen und Accessoires als Ausdruck individueller und kollektiver rechtsextremer Potenziale (Winckler 1996).

Es gilt klar festzuhalten: Rassismus und rechtsextreme Ansichten sind keine direkten Folgen problematischer Kindheits- oder Jugenderlebnisse, auch nicht schwieriger Lebenssituationen. Das Phänomen sollte nicht entpolitisiert werden. Nebst dem rechtlichen Schutz vor Rassismus und Rechtsextremismus durch Gesetze und Gerichte stellen daher nach wie vor Aufklärung, Zivilcourage und eine dezidierte Haltung breiter Bevölkerungsschichten die stärkste Waffe gegen Rechtsextremismus und Rassismus dar.

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