Antirassismusgesetz

Viele Jahre, nachdem die UNO-Konvention gegen Rassismus von den meisten Mitgliedern der Vereinten Nationen unterschrieben worden war, ratifizierte sie 1994 auch die Schweiz. Die Umsetzung im Schweizerischen Strafgesetzbuch Art. 261bis StGB lautet wie folgt:
  • Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft,
  • wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind,
  • wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt,
  • wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht,
  • wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion verweigert,
wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

Seit 1994 wurden bereits einige wichtige Bundesgerichtsurteile zu Rassismus gefällt. Eines der einflussreichsten ist sicher jenes, welches festlegt, ab wann ein Raum öffentlich ist und damit ab wann eine rassistische Äusserung strafbar wird:

BGE 130 IV 111 vom 27. 5. 04: Öffentlich ist, was nicht strikt privat ist

Ausweitung der Strafbarkeit rassistischer Äusserungen
Ob eine rassistische Äusserung öffentlich erfolgt ist und bestraft wird, will das Bundesgericht künftig nicht mehr aufgrund quantitativer Kriterien beurteilen. Vielmehr gilt nunmehr alles als öffentlich, was nicht im engen privaten Rahmen gesagt worden ist. Damit wird die Anwendung des Rassismus-Artikels erheblich ausgeweitet.

[Rz 1] Das Bundesgericht weitet die Anwendung des Rassismus-Artikels erheblich aus: Künftig gilt eine verunglimpfende Bemerkung bereits dann als öffentlich und damit strafbar, wenn sie nicht in engem privatem Rahmen erfolgt ist. Und das ist nur der Fall, wenn die fraglichen Äusserungen "im Familien- und Freundeskreis oder sonst in einem durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld erfolgen".

Spezialfall der Öffentlichkeit
[Rz 2] Laut dem mündlich, aber nicht öffentlich beratenen und damit nicht unbedingt einstimmig gefällten Grundsatzurteil des Kassationshofs in Strafsachen sind Bemerkungen, die Menschen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion verletzen, "in einem Rechtsstaat inakzeptabel und an sich schon strafwürdig". Strafbar sind sie indes gemäss dem Willen des Gesetzgebers und dem Wortlaut des Gesetzes nur, wenn die Äusserungen öffentlich erfolgen. Von Öffentlichkeit wurde bisher gesprochen, wenn eine Bemerkung von unbestimmt vielen Personen oder von einem grösseren, nicht durch persönliche Beziehungen zusammenhängenden Personenkreis wahrgenommen werden kann (vgl. BGE 126 IV 176). Dabei nimmt die Rechtslehre an, dass das Strafgesetzbuch (StGB) von einem einheitlichen Begriff der Öffentlichkeit ausgeht. Dafür gibt es indes für das Bundesgericht keine zwingenden Gründe, weshalb nun der Begriff der Öffentlichkeit einseitig und allein für den Straftatbestand der Rassendiskriminierung ausgeweitet wird (Art. 261bis StGB).

[Rz 3] Diese Bestimmung soll mit Rücksicht auf das Rechtsgut der Menschenwürde – die Meinungsäusserungsfreiheit bleibt unerwähnt – ausgelegt werden: "So gesehen kann als öffentlich im Sinne von Art. 261bis StGB alles gelten, was nicht privat ist." Die quantitative Betrachtung, auf der die bisherige Rechtsprechung fusst, vermag das Bundesgericht nicht länger zu überzeugen. "Es gelten vielmehr inskünftig ungeachtet der Zahl der Adressaten alle Äusserungen und Verhaltensweisen als öffentlich, die nicht im privaten Rahmen erfolgen."

Offene Stammtischrunde
[Rz 4] Konkret zu beurteilen war vom Bundesgericht ein Vortrag über die Entstehung der SS und der Waffen-SS, der in einer abgelegenen Waldhütte vor knapp 50 Personen aus der Skinhead-Szene gehalten wurde, die nur gegen Vorweisung einer schriftlichen Einladung eingelassen worden waren. Dass für eine solche Veranstaltung Öffentlichkeit bejaht wird, ist im Ergebnis verständlich. So wie das Urteil indes begründet wird, muss die neue Rechtsprechung selbst auf eine kleine Runde von wenigen Personen angewendet werden, die sich mehr oder weniger zufällig am Tisch eines im Übrigen leeren Wirtshauses zusammengefunden haben. Hier fehlt es an "persönlichen Beziehungen" und "besonderem Vertrauen", weshalb Strafe droht, wenn in diesem Kreis ein rassistischer Witz erzählt wird. [...]
Unterschiedliche Reaktionen
[Rz 5] Der Freiburger Strafrechtler Marcel Niggli stellte sich im "Tagesgespräch" von Radio DRS auf den Standpunkt, dass sich durch das Bundesgerichtsurteil für die Situation am Stammtisch nichts ändere. Der rassistische Witz am Stammtisch sei bereits nach alter Praxis strafbar, wenn jemand so laut rede, dass andere mithören müssten. Das Urteil habe hingegen Auswirkungen auf die Gemeinden. Sie hätten bisher zum Beispiel den Skinheads für eine Veranstaltung mit privatem Charakter ihre Säle zur Verfügung stellen müssen. Dies sei nun nicht mehr so. Ideologische Verbundenheit reiche nicht mehr aus, damit eine solche Veranstaltung privaten Charakter habe.

Die entsprechenden Bundesgerichtsentscheide finden Sie auf www.bger.ch unter:
BGE (Leitentscheide).

Kommentare zur Antirassismusstrafnorm Art 261 bis STGB finden sich unter: www.ekr.admin.ch/themen/00042/00054/index.html?lang=de

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